GEMEINSCHAFT UND INDIVIDUALITÄT


Gemeinschaft und Individualität – Meinungsbildung & Empfehlungen 

Donnerstag | 25.6.2020 | 19:00 bis 21:00
Veranstalter: Smart Village Götschka (Web-Veranstaltung via Zoom und Miro-Board)

Moderation: Luise Ogrisek, Text: Tobias Hagleitner

Das erste Treffen zum Thema Gemeinschaft und Individualität war im März unmittelbar vor den Covid19- Maßnahmen. Der zweite Termin zu diesem Themenkreis wurde verschoben und fand nun mit einigem zeitlichen Abstand statt. Damals berichtete Ursula Kopp, Bewohnerin und Geschäftsführerin im gemeinschaftlich- nachbarschaftlichen Wohnprojekt (GeNaWo) „Mayr in der Wim“ bei Steyr über viele Vorzüge, aber auch über Herausforderungen dieser Siedlungs- und Lebensform. Ihr Vortrag bot eine Fülle an Erfahrungswerten und Erkenntnissen, die die Gäste dieser Folgeveranstaltung wieder aufgreifen und zur Meinungsbildung und für Empfehlungen für ein „Smart Village“ nutzen konnten. Diskutiert wurde in zwei Fokusgruppen: Während sich die einen darüber Gedanken machten, was ein gutes Leben und Wohnen in Gemeinschaft ermöglicht und gewährleistet, fokussierten die anderen auf die notwendigen Maßnahmen und Angebote, dass sich das Bedürfnis nach Individualität innerhalb der Gemeinschaft Platz entfalten kann.

Geeignete Strukturen fürs Gemeinschaftliche

Wichtig ist eine gute Kombination an Funktionen, dass passende gewerbliche Nutzungen, Co-Working-Spaces und Vereinsleben Platz haben. Werkstätten und Ateliers eignen sich, um gemeinsame Projekte zu realisieren, sich gegenseitig mit Reparaturen oder kleinen Werkaufträgen zu unterstützen. Auch räumliche Überschneidung von Nutzungen kann sinnvoll sein für ungezwungenes, zufälliges und spontanes Miteinander (z. B. eine gemeinsame Anliefer- und Abholzentrale/Waschsalon mit Café). Gemeinschaftliche Angebote sind anziehend, wenn sie einen Mehrwert gegenüber dem Privaten und eine echte Besonderheit bieten: etwa ein großes Schwimmbecken, eine tolle Bar, ein einladender Grillplatz, eine professionell ausgestattete Gemeinschaftsküche etc. Zugleich müssen alle Grundfunktionen (Kochen, Sanitär, Rückzug) in jeder Wohneinheit komplett vorhanden sein, sodass das gemeinschaftliche Angebot letztlich dennoch freiwillig bleibt.

Geeignete Strukturen fürs Individuelle

Dem Bedürfnis nach Privatheit sollte auf baulicher Ebene nicht nur in den „eigenen vier Wänden“ entsprochen werden. Auch im Außenraum sind individuelle Rückzugs- bzw. Ruhebereiche wünschenswert, evtl. sogar die Option einer privateren Verbindung von der Wohnung ins Freie (z. B. über Terrasse). Eine wichtige bautechnische Maßnahme, um Konflikte zu vermeiden und Privatsphäre zu wahren, ist optimaler Schallschutz. Zu berücksichtigen ist auch die Bauhöhe. Ab etwa drei Geschoßen ist die Kommunikation und somit individuelle Beziehung innen–außen erschwert. Auf sozial-organisatorischer Ebene ist auf klare Kommunikation und transparente Entscheidungen, auf Aufgabenverteilung nach Interessen und auf Beschränkung bzw. Wechsel von Funktionsperioden zu achten, um fixe Hierarchien oder Machtverhältnisse zu vermeiden. Es muss ein Recht auf die „Stopp-Taste“ geben – nicht alles muss mit der Gruppe vereinbar sein, Unterschiedlichkeit ist zu respektieren.

Fazit

Um Kommunikations- und Entscheidungsfindungsprozesse in einem „Smart Village“ zu organisieren, ist dieselbe Planungssorgfalt nötig wie für den gebauten Raum – es braucht eine gute „Prozessarchitektur“. Best-Practice- Modelle bei vergleichbaren Projekten können dabei übertragen werden. Die organisatorisch-soziale wie die baulich-räumliche Struktur sollten positiv motivierend wirken, dass es Freude macht, sich einzubringen. Das gelingt durch bestmögliche Ausgewogenheit von individuellen und gemeinschaftlichen Lebensbereichen. Empfohlen werden bewusst geplante, unterschiedliche Grade an Öffentlichkeit bzw. Privatheit mit geeigneten „halböffentlichen“ Übergangsbereichen (v. a. geräumige und hochwertig gestaltete Erschließungszonen wie Innenhöfe, Laubengänge etc.). Über das gesamte Siedlungsgebiet lassen sich Schwerpunktzonen definieren mit unterschiedlichen Aktivitäts- und Gemeinschaftlichkeitslevels, sodass Bewohnende die Wahlmöglichkeit haben, wo sie sich aufhalten bzw. niederlassen.

Die nächsten Veranstaltungen am DO 9. und DO 16. Juli 2020, jeweils 19 Uhr, sind dem Thema VER- UND ENTSORGUNG – ENERGIE UND MATERIALIEN gewidmet. Eine kombinierte Teilnahme an beiden Abenden wird empfohlen.